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Problem Kippfenster - unterschätzte Gefahr für Hauskatzen

Dr. med. vet. Martina Schybli, STS-Fachstelle Heimtiere und tierärztliche Beratungsstelle

Kater «Fire» hatte Glück im Unglück. Beim Versuch, durch das angekippte Fenster nach draussen zu gelangen, blieb er in dessen Spalt hängen. Seine verzweifelten Befreiungsversuche nützten ihm jedoch nichts, im Gegenteil, er rutschte nur noch tiefer in den Fensterspalt. Glücklicherweise bemerkten die Besitzer die ausweg­lose Situation rasch. Nachdem sie den Kater aus seiner misslichen Lage befreit hatten, stellten sie ihn umgehend in der Tierklinik vor. Der behandelnde Tierarzt stellte fest, dass Fire Untertemperatur hatte und eine erhöhte Puls- und Atemfrequenz aufwies. Beim Abtasten zeigte Fire Schmerzen am Rumpf. Auch die Muskulatur des Oberschenkels war schmerzhaft und verhärtet, zudem wies das Tier eine Lähmung beider Hinterbeine auf. Glücklicherweise zeigte aber das Röntgenbild keine abnormen Befunde, und auch die Blutwerte waren normal. Fire wurde daher mit schmerzstillenden Medikamenten versorgt und bekam eine Infusion. Nach zwei Tagen Klinikaufenthalt ging es ihm schon bedeutend besser, sodass er entlassen werden konnte. Bei der Nachkontrolle nach zwei Wochen war der Kater schliesslich wieder völlig gesund.

 

Bei Fire verlief die Sache somit glimpflich. Doch es hätte auch schlimmer ausgehen können, denn abhängig davon, wie lange eine Katze eingeklemmt ist, wie stark sie sich wehrt und wie tief sie in den Fensterspalt rutscht, können verschiedene, oft lebensgefährliche Verletzungen entstehen. Häufig treten beispielsweise Quetschungen der Niere und Blase auf. Auch innere Blutungen können vorkommen, meistens befinden sich die Tiere im Schockzustand. Durch die abgeklemmte Blutversorgung können Nerven und Muskeln geschädigt werden, was zu Lähmungen der Hinterhand führt. Wird die missliche Lage der Katze nicht rechtzeitig bemerkt oder sind die Verletzungen zu gravierend, bleibt oft nur noch, das Tier von seinem Leiden zu erlösen.

 

Kippfenster stellen im Haushalt somit eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Katzen dar. Doch was tun, wenn man für Frischluft sorgen möchte, ohne gleich das Fenster sperrangelweit zu öffnen? Manche Zoofachgeschäfte bieten Schutzgitter an, welche allerdings am Fensterrahmen festgeschraubt werden müssen. Für Bewohner von Mietwohnungen ist dies nicht immer praktikabel. Auf der Suche nach Alternativen führte der Schweizer Tierschutz STS bei Fensterbauern eine Umfrage durch. Verschiedene Firmen bieten hier Alternativ­produkte wie beispielsweise Drehkippbegrenzungen an. Mit diesen lässt sich der Kippfensterspalt verkleinern, sodass die Katze gar nicht erst durchkommt. Eine weitere Variante sind sogenannte Parallelabstellungen, bei denen der gesamte Fensterflügel nach innen geschoben wird. Auch Spaltlüfter, mit welchen sich das Fenster einen Spalt öffnen lässt, ohne gekippt zu werden, sind eine mögliche Lösung. Alternativ kann auch ein stabiles Insektengitter Abhilfe schaffen. Eine Liste mit Fensterbauern, welche bauliche Lösungen anbieten, ist auf Anfrage beim STS erhältlich.


 

Weitere Informationen

Die Heimtierfachstelle des Schweizer Tierschutzes STS führte letzten Herbst bei Fensterbauern aus der ganzen Schweiz eine Umfrage durch und befragte diese nach baulichen Lösungen, welche ein Festklemmen der Katze im Kippfenster verhindern sollen. Genannt wurden beispielsweise ­Drehkippbegrenzungen, welche den Kippfensterspalt stark verkleinern. Auch Parallelabstellungen sind eine Möglichkeit, hier wird der gesamte ­Fensterflügel nach innen geschoben, ohne dass das Fenster gekippt wird. Eine Liste mit Fensterbauern, welche bauliche ­Lösungen anbieten, ist auf ­Anfrage beim STS erhältlich. Mehr Informationen zum Thema ­«Gefahren für Katzen in Haushalt und Garten» finden Sie im gleich­namigen STS-Merkblatt auf www.tierschutz.com/publikationen.

 

 


Weitere Gefahren für Katzen im Haushalt

Nicht nur das Kippfenster, sondern auch zahlreiche andere Gefahren lauern im Haushalt. Balkone beispielsweise dienen Wohnungskatzen als willkommene Abwechslung. Halten sich die Katzen allerdings auf dem Balkongeländer auf oder springen dieses an, kann es gefährlich werden. Wenn das Geländer den Katzenkrallen keine Angriffsfläche bietet, können die Tiere unter Umständen den Halt verlieren und herunterstürzen. Manchmal geht auch schlichtweg der Jagdtrieb mit den Katzen durch, und die Tiere fallen bei dem Versuch, ein vorbeifliegendes Insekt zu fangen, vom Geländer. Bei solchen «Flugkatzen», wie sie in der Tiermedizin genannt werden, treten häufig Verletzungen der Gliedmassen oder Kieferbrüche auf. Auch Zwerchfellrisse können vorkommen. Je nach Art des Balkons und Verhalten der Katze lohnt es sich daher, den Balkon mit einem Katzenschutznetz zu bespannen. Bei Jungkatzen muss allerdings ein feinmaschigeres Netz verwendet werden, da sie ihren Kopf unter Umständen durch die üblichen Maschenweiten von vier Zentimetern durchstrecken und sich verheddern können.

 

In der Wohnung lohnt es sich, ein wachsames Auge auf Spielsachen zu haben. Zwar sind Katzen im Gegensatz zu Hunden nicht so prädestiniert, ihr Spielzeug zu zerkauen oder sogar ganz zu verschlucken. Probleme können sich aber ergeben, wenn Katzen mit losen Fäden spielen und diese verschlucken. Im besten Fall werden diese später einfach wieder ausgeschieden. Die Fäden können aber auch im Magen, im Darm oder an der Zunge hängen bleiben. Letzteres tritt insbesondere auf, wenn am Faden noch eine Nadel hängt, welche sich dann am Zungengrund einspiesst. Der sich ständig zusammenziehende Darm wickelt sich schliesslich am fixierten Faden ziehharmonikaartig auf. Dadurch wird die Darmwand verletzt und das betroffene Darmstück stirbt mit der Zeit ab. Solche linearen Fremdkörper, wie sie in der Fachsprache genannt werden, sind für das Tier sehr gefährlich und machen eine Operation notwendig. Fäden sollten daher nicht lose liegen gelassen werden. Auch bei Lametta am Christbaum ist Vorsicht geboten.

 

Auch das Thema Vergiftung sorgt bei Tierbesitzern immer wieder für Besorgnis. Gemessen an den zahlreichen Erkrankungsursachen sind Vergiftungen ­allerdings eher selten. In einer Studie des Schweizerischen Toxikologischen Informationszentrums wurden während zehn Jahren 391 Vergiftungsfälle bei Katzen nachgewiesen. Häufige Vergiftungsursachen waren unter anderem veterinär- und humanmedizinische Präparate, Schädlingsbekämpfungsmittel, Haushaltsprodukte und Pflanzen. Von den Giftpflanzen ist übrigens die Lilie die gefährlichste. Auch Weihnachtssterne oder Oster­glocken können giftig sein. Heimtierbesitzer, deren Vierbeiner gerne die Einrichtung auf Bissfestigkeit testen, sollten diese Pflanzen daher ausser Reichweite ihrer Tiere aufstellen. Selbstverständlich kann man nie für alle Eventualitäten gerüstet sein, und man kann den Vierbeiner auch nicht in Watte packen. Doch Vorsicht ist bekanntlich besser als Nachsicht, und mit einem wachsamen Auge können die meisten Gefahren im Haushalt eliminiert werden.