Ayana Keller und Akshaya Jepanesan von der Berufsmaturitätsschule Weinfelden haben im Zuge einer Projektarbeit zur Frage "Inwiefern tragen Recht und Umwelt zu einem besseren Tierschutz bei?" bei unserem Präsidenten nachgefragt.
► Warum haben Sie sich entschieden, Präsident des Appenzeller Tierschutzes zu werden?
Schon als kleiner Bub war der Kuhfladen beliebter Aufenthaltsort meiner baren Füsse und die regelmässigen Wanderungen im Alpgebiet des Alpsteins gehörten zum festen Bestandteil unseres damaligen
Familienlebens. Nach mehr als 35 Jahren, die ich in der Stadt St.Gallen und Umgebung lebte, entschloss ich mich berufshalber ins Appenzellerland zu ziehen. Ich verbrachte einige, für mich
prägende Jahre in Urnäsch, im Speicher und nun bin ich in Bühler wohnhaft. Die Traditionen und Gebräuche des Appenzellerlands zeichnen für mich heute ein deutliches Bild vom Menschen im
Kulturkreis von Landwirtschaft, Natur, Brauchtum und der Tier- und Pflanzenwelt.
Nach intensiven Berufsjahren und dem Studium wollte ich meine Kompetenzen aus der visuellen Kommunikation und der Werbung einer Institution zur Verfügung stellen, welche sich für
Tiere sinnhaft einsetzt. Die Nutztierschutzorganisation KAGfreiland betreut schweizweit biologische Landwirtschaftsbetriebe, die nach strengsten Tierhaltungsrichtlinien produzieren, und
etabliert die hochwertigen Produkte auf dem Markt. Meine damalige Anstellung als Gestalter und Grafiker bei KAGfreiland hat mich wohl erst zum Tierschutz gebracht. Tierwohl-Projekte, wie die
heute praktikable Hoftötung, die Weidehaltung von Alpschweinen oder die biologische Kaninchenhaltung haben mein Interesse am Tierschutz noch verstärkt. Die Haltungsbedingungen unserer Nutztiere,
die unterschiedlichen Tiergattungen und die schweizerische Tierschutzgesetzgebung rückten somit immer mehr in den Fokus meiner Arbeit. Ich erhielt somit einen tieferen Einblick in die
Landwirtschaft und die damit verbundenen Realitäten der Tierhaltung. Ich trat 2019 dem Appenzeller Tierschutzverein bei und nach drei Jahren als Tierschutzbeauftragter wurde ich vom damaligen
Vorstand für das Vereinspräsidium vorgeschlagen und von unseren Mitgliedern im April 2022 in das Amt gewählt. Heute darf ich den Verein mit knapp 400 Mitgliedern ehrenamtlich leiten und werde
dabei von einem jungen und engagierten Team unterstützt.
► Welche Bedeutung haben Gesetze für den Tierschutz, und wie bewerten Sie die aktuelle Gesetzeslage?
Die Gesetzgebung ist für uns wie für den Halter essentiell. Wir arbeiten nach den tierschutzrechtlichen Vorgaben und handeln auch in diesem vorgegebenen Rahmen. Hierzu beanspruchen auch
Fachkräfte, die uns der Schweizer Tierschutz STS oder die Tierrechtsorganisation „Tier im Recht“ zur Verfügung stellt. So können wir unser Handeln koordinieren und rechtliche Konsequenzen für
Tier und Mensch besser beurteilen. Wir tun gut daran, Fälle und daraus resultierenden Massnahmen nach ihrer Verhältnismässigkeit zu prüfen. So können wir am Ehesten das Optimum für Tier und
Mensch bewirken.
Wenn man bedenkt, wie lange es dauert, einen offiziellen Gesetzesartikel anzupassen um eine Verbesserung in der Tierhaltung zu erreichen und wie schnell, wenn tausende Tiere
präventiv gekeult werden müssen, weil sich in einem Stall der Verdacht einer Krankheit bestätigt hat. Pandemien, Tierseuchen oder höhere Umstände können Haltevorschriften und den gesetzlichen
Tierschutz von heute auf morgen aushebeln.
► Gibt es Ihrer Meinung nach rechtliche Lücken im Tierschutz, die verbessert werden könnten?
Warum haben Hunde das Privileg, in warmen Wohnzimmern gestreichelt zu werden, während Schweine in dunklen, verdreckten Betonbuchten gemästet werden, um dann einen Tod in einem Gasschacht eines Grossschlachtbetrieb zu sterben, obwohl beide Tiere ähnlichste Bedürfnisse und Empfindungen haben? Das Gesetz unterscheidet Tiergattungen, nach ihrer Wirtschaftlichkeit und ihrem Nutzen für unsere menschliche Gesellschaft. Tierhaltevorschriften werden nicht selten über den Gewinn, den Profit oder die Lebensleistung der Tiere verwaltet. Im Kanton Luzern zum Beispiel, leben gleich viele Schweine wie Menschen.

Haustier und Nutztier. - Unterschiede im Gesetz und in der Tierhaltung sind augenscheinlich.
Diese Tatsache sollte uns nicht nur über die Besetzungsdichten an Tieren in unseren Betrieben nachdenken lassen, sondern auch darüber, ob die intensive Tierhaltung für unsere Natur überhaupt verkraftbar ist. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen: Ein System, das auf die wirtschaftliche Ausbeutung von Lebewesen ausgerichtet ist, könnte selbst die Lücke im Tierschutz sein.
► Welche Tierschutzprobleme treten im Kanton Appenzell am häufigsten auf?
Da wir zwei ländliche Halbkantone betreuen dürfen, in denen intensive Landwirtschaft betrieben wird, haben wir nebst der privaten Tierhaltung mit Problemen zu tun, welche sich im ländlichen
Umfeld und im Bereich "Nutztier" abspielen. In den letzten Jahren haben wir uns allerdings immer intensiver auf unkontrollierte Katzenpopulationen und Streunerkolonien konzentriert. Da es für
Katzen keine Kastrations- oder Registrationspflicht gibt, und sich Krankheiten und unkontrollierter Nachwuchs auch in die Siedlungsgebiete ausbreiten, müssen wir uns schon seit längerer Zeit
intensiv um dieses immer grösser werdende Problem kümmern.
► In welchen Punkten unterscheidet sich der Tierschutz Appenzell von anderen Tierschutzvereinen?
Unsere Arbeit hat eine ländliche, bäuerliche Prägung. Aber wir leisten nicht nur Feldarbeit auf Kantonsebene, sondern können bei Projekten und Kampagnen für den Schutz und das Wohlbefinden
unserer Tiere gesamtschweizerisch mitbestimmen. Denn wir sind eine von rund 70 Sektionen des Schweizer Tierschutz STS, unserem Dachverband. Durch diese Anbindung erhalten wir, im Gegensatz zu
privaten Organisationen, rechtliche Beratung , Zugang zu Fachkräften und für unsere Arbeit erforderliche Infrastrukturen. So können wir das gesamtschweizerische Wirken des Tierschutzes
mitbestimmen und uns breiter vernetzen.
► An wen werden die Fälle weitergeleitet, wenn rechtliche Folgen entstehen? Und wie läuft dieser Prozess ab?
Wir erstatten in bestimmten Fällen Anzeige. Über die Polizei oder direkt bei der Staatsanwaltschaft. Mehrheitlich melden wir einen Missbrauch oder Tierschutzfall dem Tierhalter suchen Kontakt und das Gespräch mit Verantwortlichen, oder wir geben den Fall am kantonalen Veterinäramt weiter. Das Amt beurteilt den Fall und leitet die erforderlichen, rechtlichen Schritte ein. So verstehen wir uns als Vermittlungsstelle zwischen der Bevölkerung, den kantonalen Ämtern und dem tierschutzgesetzlichen Vollzug. Uns geht es darum, einen fehlbaren Halter anzuzeigen, eine Beschlagnahmung oder ein Tierhalteverbot zu erwirken, sondern wir möchten für das betroffene Tier und den Menschen eine Lösung zu finden.
Wir wünschen Ayana & Akshaya viel Erfolg für die Projektarbeit und danken für das Interesse an unserer Organisation.
--------------------------------------------------------------------------------> Weitere Texte finden sie in unseren Jahresberichten.