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Von Kuhfladen und Biohasen.

Ayana Keller und Akshaya Jepanesan von der Berufsmaturitätsschule Weinfelden haben im Zuge einer Projektarbeit zur Frage "Inwiefern tragen Recht und Umwelt zu einem besseren Tierschutz bei?"  bei unserem Präsidenten nachgefragt. 


► Welche Bedeutung haben Gesetze für den Tierschutz, und wie bewerten Sie die aktuelle Gesetzeslage?

Die Gesetzgebung ist für uns wie für den Halter essentiell. Wir arbeiten nach den tierschutzrechtlichen Vorgaben und handeln auch in diesem vorgegebenen Rahmen. Hierzu beanspruchen wir schon mal externe Fachkräfte, die uns der Schweizer Tierschutz STS oder die Tierrechtsorganisation Tier im Recht  stellen kann.
So können wir die Konsequenzen bei einem Rechtsfall für Tier und Mensch besser beurteilen und breiter abstützen. Wir tun aber immer gut daran, Fälle, und daraus resultierenden Massnahmen  nach ihrer Verhältnismässigkeit zu prüfen. Denn einem  Tier ist nicht geholfen, wenn es nach seiner Beschlagnahmung das ganze Leben lang in einem Tierheim vegetieren muss. 
So müssen wir viele Fälle einzeln prüfen um das richtige zu tun.

 

► Gibt es Ihrer Meinung nach rechtliche Lücken im Tierschutz, die verbessert werden könnten?

Warum haben Hunde das Privileg, in warmen Wohnzimmern gestreichelt zu werden, während Schweine in dunklen, verdreckten Betonbuchten gemästet werden, um dann einen Tod in einem Gasschacht eines Grossschlachtbetrieb zu sterben? Beide Tiere haben ähnlichste Bedürfnisse und Empfindungen. Warum ist das eine von gesetzeswegen besser geschützt als das andere? Das Gesetz unterscheidet Tiergattungen, nach ihrer Wirtschaftlichkeit und ihrem Nutzen für unsere menschliche Gesellschaft. Tierhaltevorschriften werden nicht selten über den Gewinn, den Profit oder die Lebensleistung der Tiere verwaltet. Und wenn eine Tierseuche die Bestände bedroht, werden selbst gesunde Tiere gekeult oder Tiere eingestallt,  um eine Verbreitung einer Krankheit zu verhindern. Dann wird der Tierschutz augenblicklich ausgehebelt. Wenn man bedenkt wie lange es geht um einen Artikel im Tierschutzgesetz anzupassen, nehmen wir nur eine Kastrations- oder Registierungspflicht für Katzen, dauert das wohl ein halbes Menschenleben lang. Apropos Mensch: Im Kanton Luzern leben beinahe so viele Schweine wie Menschen. Diese Tatsache sollte uns nicht nur über die Besetzungsdichten nachdenken lassen, sondern auch darüber, ob solch intensive Tierhaltung  überhaupt noch verkraftbar ist, oder ob die Landwirtschaft  konstant schon Gesetze missachtet, welche die Natur und andere Lebewesen gefähret.

Um zu Ihrer Frage zurückzukommen: Ein System, das auf  wirtschaftliche Ausbeutung von Lebewesen ausgerichtet ist, ist selbst die Lücke im Tierschutz. 

 

► An wen werden die Fälle weitergeleitet, wenn rechtliche Folgen entstehen? Und wie läuft dieser Prozess ab?

 Mehrheitlich melden wir einen Missbrauch oder Tierschutzfall dem Tierhalter suchen Kontakt und das Gespräch mit Verantwortlichen, oder wir geben den Fall am kantonalen Veterinäramt weiter. Das Amt beurteilt den Fall und leitet die erforderlichen, rechtlichen Schritte ein. Wir erstatten in bestimmten Fällen Anzeige. Über die Polizei oder direkt bei der Staatsanwaltschaft. So verstehen wir uns als Vermittlungsstelle zwischen der Bevölkerung, den kantonalen Ämtern und dem tierschutzgesetzlichen Vollzug. Klar geht es manchmal darum, einen fehlbaren Halter anzuzeigen, oder eine Beschlagnahmung oder ein Tierhalteverbot zu erwirken,  dies ist allerdings Aufgabe des Kantons. Uns geht es aber darum, schnellstmöglich und in erster Linie für das betroffene Tier eine Lösung zu finden und die Situation zu verbessern. Und dafür nutzen wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel. 


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Welche Tierschutzprobleme treten im Kanton Appenzell am häufigsten auf?

Da wir zwei ländliche Halbkantone betreuen dürfen, in denen intensive Landwirtschaft betrieben wird, haben wir nebst der privaten Tierhaltung mit Problemen zu tun, welche sich im ländlichen Umfeld und im Bereich "Nutztier" abspielen. In den letzten Jahren haben wir uns allerdings immer intensiver auf unkontrollierte Katzenpopulationen und Streunerkolonien auf Bauernhöfen oder Siedlungsgebieten konzentriert. Da es für Katzen keine Kastrations- oder Registrationspflicht gibt, und sich Krankheiten und unkontrollierter Nachwuchs auch in die Siedlungsgebiete ausbreiten, müssen wir uns schon seit längerer Zeit intensiv um dieses immer grösser werdende Problem kümmern. 

Haustier und Nutztier. - Unterschiede im Gesetz und in der Tierhaltung sind augenscheinlich. 


► In welchen Punkten unterscheidet sich der Tierschutz Appenzell von anderen Tierschutzvereinen?

Wir leisten nicht nur Feldarbeit auf Kantonsebene, sondern können bei nationalen Tierschutzprojekten und -kampagnen mitwirken. Denn wir sind eine von rund 70 Sektionen des Schweizer Tierschutz STS, unserem Dachverband. Durch diese Anbindung erhalten wir, im Gegensatz zu privaten Organisationen, rechtliche Beratung, Zugang zu Fachkräften und für unsere Arbeit erforderliche Infrastrukturen und können uns so breiter vernetzen.

 

► Warum haben Sie sich entschieden, Präsident des Appenzeller Tierschutzes zu werden?

Schon als kleiner Bub war der Kuhfladen beliebter Aufenthaltsort meiner baren Füsse und die regelmässigen Wanderungen im Alpgebiet des Alpsteins gehörten zum festen Bestandteil unseres damaligen Familienlebens. Nach mehr als 35 Jahren, die ich in der Stadt St.Gallen und Umgebung lebte, entschloss ich mich berufshalber ins Appenzellerland zu ziehen. Ich verbrachte einige, für mich prägende Jahre in Urnäsch, im Speicher und nun bin ich in Bühler wohnhaft. Die Traditionen und Gebräuche des Appenzellerlands zeichnen für mich heute ein deutliches Bild vom Menschen im Kulturkreis von Landwirtschaft, Natur, Brauchtum und der Tier- und Pflanzenwelt. Nach intensiven Berufsjahren und dem Studium wollte ich meine Kompetenzen aus der visuellen Kommunikation und der Werbung einer Institution zur Verfügung stellen, welche sich für Tiere sinnhaft einsetzt.

Die Nutztierschutzorganisation KAGfreiland betreut schweizweit biologische  Landwirtschaftsbetriebe, die nach strengsten Tierhaltungsrichtlinien produzieren, und etabliert die hochwertigen Produkte auf dem Markt. Meine damalige Anstellung als Gestalter und Grafiker bei KAGfreiland hat mich wohl erst zum Tierschutz gebracht. Tierwohl-Projekte, wie die heute praktikable Hoftötung, die Weidehaltung von Alpschweinen oder die biologische Kaninchenhaltung haben mein Interesse am Tierschutz noch verstärkt.

Die Haltungsbedingungen unserer Nutztiere, die unterschiedlichen Tiergattungen und die schweizerische Tierschutzgesetzgebung rückten somit immer mehr in den Fokus meiner Arbeit. Ich erhielt somit einen tieferen Einblick in die Landwirtschaft und die damit verbundenen Realitäten der Tierhaltung. Ich trat 2019 dem Appenzeller Tierschutzverein bei und nach drei Jahren als Tierschutzbeauftragter wurde ich vom damaligen Vorstand für das Vereinspräsidium vorgeschlagen und von unseren Mitgliedern im April 2022 in das Amt gewählt. Heute darf ich den Verein mit ehrenamtlich leiten und werde dabei von einem jungen und engagierten Team unterstützt. 


Wir wünschen Ayana & Akshaya viel Erfolg für die Projektarbeit und danken für das Interesse an unserer Organisation. 



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