Einen besonderen Nachmittag absolvierte die Gruppe aus unserem Verein an einem Wochenende im Oktober. Wir besuchten an diesem Tag den Landwirtschaftsbetrieb "Wiesenreich" von Betriebsleiter Marco
Staub im vorderen Pfannenstiel bei Meilen ZH. Wir möchten uns einen Blick hinter die Stalltüren eines Biobetriebes der besonderen Art verschaffen und unsere Erfahrungen für
tierschutzrelevante Themen in der Landwirtschaft erweitern. Der Betrieb hält ein grosse Angus-Rinderherde mit Mutterkuhhaltung, ein paar Rassenhühner, eine Ziegengruppe und weitere Tiere, welche
man auf einen typischen Schweizer Bauernhof einfach nicht fehlen dürfen. Hier möchten wir von unseren Eindrücken berichten.
Das Tierwohl hat für das junge Betriebspaar höchste Priorität. Das merkt man augenblicklich, wenn man mit Marco Staub durch den grosszügig gehaltenen Betrieb geführt wird. Der grosse Stall hat
neben den Abkalbe-Boxen genügend Platz für drei friedliche Angus Bullen, welche gemütlich nebeneinander im Heu liegen und sich durch unsere Anwesenheit nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Marcos Leidenschaft für seine Rinder, die er so gut wie die eigenen Familienmitglieder kennt, ist von Beginn an spürbar. Die Faszination für all seine Tiere und die besondere Hingabe für seine
Angus-Herde beeindruckt uns, wenn er im Stall über die Eigenheiten dieser besonders robusten Rinder spricht. Er führt uns gleich zum neugeborenen Kalb und der Mutterkuh. Die Kälber des Hofs
dürfen 10 Monate lang bei ihren Müttern aufwachsen und mit ihnen gemeinsam während der Vegetationsperiode auf der Weide und der Alp ihrem natürlichen Verhalten nachgehen. Natürlich haben wir
Fragen. Über die Bedürfnisse und Eigenheiten der einzelnen Tiere, über ihr Verhalten in der Gruppe und dem Menschen gegenüber. Wir erfahren einiges über die Biologie dieser Tiere, ihre
Charaktereigenschaften und die tägliche Arbeit des Betriebteams mit den Kühen. Marco berichtet von der Alpung, den Schwierigkeiten und Erlebnissen mit dem Wolf und der Herde. Denn auch
dieses Jahr verbringt diese Herde den Sommer in Poschiavo auf der Alp.

Betriebsleiter Marco Staub ist bei Demeter Schweiz als Projektleiter tätig. Er hat Umweltingenieurwesen und biologische Landwirtschaft studiert und konnte sich bei KAGfreiland als Verantwortlicher im Fachbereich Nutztierhaltung auszeichnen.
"Zuerst kommen immer die Tiere." betont der junge Landwirt, als er mit gewohnter Vorsicht die drei Bullen inspiziert, und uns die Wehrhaftigkeit einer Mutterkuh verinnerlicht. "Wer dies alles nicht verstehen will, sollte nicht auf auf unserem Betrieb, oder überhaupt in der Landwirtschaft mit Tieren arbeiten wollen." Darüber sind wir uns alle einig. Wir gehen durch durch den grossen Stall hindurch und betreten den Laufstallbereich - Marcos ganzer Stolz. Ein besonderer Ort, an dem auf die Bedürfnisse der Tiere gut eingegangen werden kann. Die Liegeflächen, die Abtrennungsbügel, die Zugänge für die Tiere - ein gelungenes System ist hier optimal für die Tiere ausgerichtet und installiert worden.
Da die meisten Tiere gerade auf der Weide sind, und sich bloss eine Kuh mit ihrem Kalb im Laufbereich befindet, können wir uns ganz frei bewegen und die Anlage begutachten und erklären lassen. Auf den Heuballen nisten einige Hühner. Das pechschwarze Kälbchen, ein Junge, rennt mit Freude gegen den Heuballenturm, welcher dabei hin- und herschwingt. Sichtlich vergnügt verwirft es die Hinterbeine um dann wieder mit dem Kopf gegen die Ballen zu stossen. Wir lachen, diskutieren, stellen Fragen. Es ist kalt an diesem späten Oktobertag und wir beschliessen weiterzugehen, uns die Hände an den Ziegen warmzurubbeln, welche wir unweit meckern hören; schliesslich gibt es noch viel zu sehen. Die Tiere, welche mit Schulklassen beim Ziegentrekking die Anwesenheit von Besuchern schätzen gelernt haben und uns neugierig beschnuppern sind handzahm. Die Begegnung mit diesen sehr eigenwilligen Tieren ist so vergnüglich, dass wir es kaum schaffen aus dem Ziegengehege zu kommen.

Wir hatten die Gelegenheit auf dem Biohof "Wiesenreich" etwas genauer hinzuschauen. Dazu gehörten auch vergnügliche Begegnungen.
Der Nachmittag neigt sich dem Ende. Wir beschliessen im gegenüberliegendem Restaurant einzukehren und dort weiter zu zu unterhalten. Die Diskussion wird etwas ernster, wenn wir über die Schlachtung und Vermarktung der Tierprodukte reden. Dass der Prozess der Schlachtung zur Entscheidung Tiere zu halten, dazugehört, wird uns sachlich vermittelt. Die Hoftötung, und der Ablauf des Schlachtprozesses ist uns schon geläufig. Marco kann uns die Schwierigkeiten, die bei der konventionellen Schlachtung entstehen, und den Schrecken, welche die sensiblen Tiere durchmachen müssen, seien es Rinder oder Schweine gut erklären. Er selbst hat die Hoftötung bei KAGfreiland vorangebracht, die Vorteile dieser Art der Tötung für das Tierwohl studiert und die jeweiligen Bewilligungsverfahren begleitet. Er kann uns daher das berichten, was einem Konsumenten der sein Schnitzel in der Aktionskühlbox der Migros kauft, wohl vorbehalten bleibt.


Tierwohl mit System - Mutterkuh und Kalb im grosszügig ausgelegten Laufstall (links).
Es war ein lehrreicher, intensiver Nachmittag auf dem Betrieb "Wiesenreich"! Uns wurde vertieft gezeigt, mit welchen Problemen Landwirtschaftsbetriebe kämpfen müssen, und wie schön dass diese Arbeit im Zerrfeld von Produktion und Tierliebe sein kann. Wir konnten uns über die Tierschutzgesetzgebung in der Nutztierhaltung unterhalten und gleichzeitig Charaktereigenschaften dieser Tiere studieren. Wir haben neue Facherkenntnisse mitnehmen können, welche uns wohl bei der Beurteilung von Fällen oder Situationen bei unserer Tierschutzarbeit im Appenzellerland helfen können. Wir bedanken uns bei Marco Staub mit einer Flasche Appenzeller Alpenbitter, und einem Appenzeller Biber. Unser Besuch soll auch ihm nachhaltig in Erinnerung bleiben.
Für uns war es eine willkommene Abwechslung zum Tierschutzalltag, und ein praxisbezogener Nachmittag, den wir dank der detailierten Führung des Betriebsleiters, sehr lehrreich in Erinnerung behalten. Wir hoffen auch, dass wir uns eines Tages wiedersehen und dort weiterfahren wo wir aufgehört haben. Mit Fragen zur Nutztierhaltung, zum Tierwohl und über Tierschutzangelegenheiten. Wir denken bei der Heimfahrt nochmals an die drei Angusbullen, welche uns mit ihrer Ruhe und Gelassenheit davon überzeugt haben, dass sie ein artgerechtes und stressfreies Leben führen können, auf diesem Landwirtschaftsbetrieb im vorderen Pfannenstiel bei Meilen. (rdf)

Der Landwirtschaftsbetrieb "Wiesenreich" bietet für Schulklassen allen Alters und privaten Gruppen Führungen und Hoftage an. Dabei wird der Lerninhalt individuell auf das Alter und die gewünschten Themen der jeweiligen Klasse vermittelt, und einem jedermann einen Blick hinter die Stalltüren gewährt.